Einleitung
Köln im Jahre 1998. Auf Plakaten in
U-Bahnen, U-Bahnstationen und Reklameflächen aller Art wird
ein Jugendlicher Sprayer gezeigt, der schwer vermummt im Schutze
der Dunkelheit etwas auf eine Wand sprüht. Darunter steht folgender
Spruch: „Er hat den Kick und Sie den Schaden. Alarmieren –
Anzeigen - Beraten lassen.“
Die Kölner Anti-Spray-Aktion (K.A.S.A.)
wirbt seit diesem Zeitpunkt mit derartigen Postern und mit Flyern
(Werbezettel) in Gaststätten, Treffs, Schulen etc. für
Ihre Antigraffitikampagne. In den Kölner Filmhäusern wird
sogar im Vorprogramm der Kinofilme ein Werbespot der K.A.S.A. gezeigt.
Die K.A.S.A. ist eine Ordnungspartnerschaft mit weit über 30
Teilnehmern aus dem Großraum Köln. Sie besteht aus Vertretern
der Kölner Politik und Wirtschaft.
Ihre Antigraffitikampagne wurde 1998 im Rahmen des Weltwirtschaftsgipfels,
der erstmals in Köln stattfand, ins Leben gerufen, und ich
verstand die Antigraffitikampagne als Teil einer Sauberkeitskampagne,
die von der Stadt Köln zu dieser Zeit in allen Bereichen stattfand,
um Köln der Weltöffentlichkeit von seiner sauberen Seite
zu zeigen.
Die Antigraffitikampagne hörte nach dem Weltwirtschaftsgipfel
nicht auf, sondern wurde fortgesetzt, so dass man im Stadtbild nun
weitere Werbekampagnen, die bewusst auf Kriminalisierung der Graffitimaler
abzielten, wahrnehmen konnte.
Graffiti ist ein Teil der HipHop Kultur, die ihren Ursprung in
den Ghettos der 70er Jahre der Amerikanischen Großstadt New
York hat, und mittlerweile in verschieden Variationen auf der ganzen
Welt vorhanden ist. HipHop kann von den Jugendlichen passiv konsumiert,
aber auch direkt praktiziert werden. Dies geschieht zum Teil auf
HipHop Ereignissen mit Event- und Austauschcharakter, dem sogenannten
Jam. Ein Teilbereich auf den Jams besteht in der Fertigstellung
von Graffitis auf Wänden oder Leinwänden
Graffiti, wie es in dieser Arbeit beschrieben wird, bewegt sich
größtenteils auf illegalem Terrain, da es in den meisten
Fällen auf privatem Eigentum ohne Einwilligung der Besitzer
stattfindet. Die Eigentümer haben formaljuristisch das Recht,
diesen Akt als Sachbeschädigung anzuzeigen, und einen Titel
gegen die meist jungen Graffitimaler zu erlangen.
Die öffentliche Meinung in Bezug auf Graffiti ist gespalten.
Die eine Seite interpretiert Graffiti als ein Zeichen der Verwahrlosung,
der Anarchie und sieht darin einen Angriff auf die Sauberkeit und
Ordnung des Lebens im 20. Jahrhundert. Die andere Seite versteht
das Phänomen Graffiti als kreative Tätigkeit der Adoleszenten
mit einem kulturellen Hintergrund, die zur Identitätsfindung
in einer individualisierten Gesellschaft beiträgt. Zur Graffitikunst
werden unter anderem die so genannten American Graffiti gezählt,
die Ihren Weg aus New York bis nach Europa gefunden haben. Das sind
Graffiti, meist farbig, groß, plakativ, die für einen
Namen werben. Sie prägen das Bild der heutigen Städte
auf der ganzen Welt.
Deswegen war ich so überrascht und verwundert, als ich im
Mai 2003 folgenden Spruch auf den Titelseiten eines Kölner
Boulevardmagazins las: „ Sprayer erklären Köln den
Krieg“ [1].
Die folgende Arbeit gliedert sich in drei Bereiche auf. Der erste
Teil, bzw. A-Teil beschreibt die pädagogischen und soziologischen
Vorrausetzungen. Begriffe wie Sub-, Jugendkultur und Szene werden
erklärt. Des Weiteren enthält der A-Teil die historischen,
kulturellen und kulturgeschichtlichen Erläuterungen zum Thema
Graffiti. Graffiti als postmoderne Tendenz und alternative Ausdrucksform
werden anschließend erläutert.
Die Arbeit befasst sich außerdem mit der aktuellen Situation
von jugendlichen Graffitimalern, ihre Motivationen, ihrem Selbstverständnis
und den Folgen Ihres Handelns. Die Reaktionen der Stadt Köln
und einem Teil der Öffentlichkeit werden am Beispiel der KASA
dargestellt und erläutert.
In Köln hat sich in den letzten Jahren Widerstand gegen diese
Art der Repression in Form der Gruppe um die Kölner CASANOVA
entwickelt. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, der Öffentlichkeit
ein anderes Bild von Graffiti zu vermitteln, und funktionieren als
ein Sprachrohr der Graffiti Szene.
Der zweite Teil, bzw. B-Teil enthält den Entwurf eines Graffiti
Projektes. Dort findet der Leser konkrete Lösungsvorschläge,
um als Pädagoge in Kontakt mit dieser Zielgruppe zu kommen,
und dann in einem nächsten Schritt langfristig mit dieser jugendkulturellen
Szene zu arbeiten.
Der Sozialpädagoge muss in der Lage sein, eventuelle alternative
und adäquate Angebote zum Sprayen anzubieten. Solche Möglichkeiten
sollen hier in dieser Arbeit aufgezeigt werden. Die konkrete Umsetzung
kann in einem HipHop-Projekt stattfinden, das an den positiven Elementen
dieser Kultur anknüpft.
Dies möchte ich in dieser Arbeit darstellen und versuchen,
im dritten Teil, bzw. im C-Teil als Ausblick, eine Auswertung des
Projektes vorzunehmen, und dann eventuell eine Brücke zwischen
Stadt Köln bzw. den Verantwortlichen der KASA, den Kölner
Jugendämtern und der Graffitiszene herstellen und mögliche
Lösungsvorschläge vorstellen zu können. Die Graffitiszene
ist eine Jugendkultur, in der sich größtenteils männliche
Adoleszenten bewegen. In der Kölner Jugendpädagogik ist
diese Szene leider immer noch kein Begriff und wird dort nicht zum
Thema gemacht. Graffitiprojekte in Jugendzentren werden sanktioniert,
und den Verantwortlichen wird nahe gelegt, diese Angebote noch einmal
zu überdenken.
Aufklärungsbedarf ist an dieser Stelle geboten, denn wie bereits
oben beschrieben: „ Bevor uns die Farbe ausgeht, sind eure
Putzmittel alle“ [2] .
[
weiter... ]
|