C-Teil

8. Auswertung des Projektes und Perspektiven der sozialen Arbeit

Eine abschließende Auswertung des Projektes und eine Reflexion des eigenen Verhaltens sind für sozialpädagogisches Arbeiten von großer Wichtigkeit. Reflektierte Pädagogik beinhaltet, über das eigene Verhalten nachdenken, es auszuwerten und Folgerungen für das weitere Arbeiten herausziehen.

So wie der A- und B-Teil, ist die Planung der Auswertung im C-Teil Part eines Konzeptes. Dem Pädagogen stehen zwei Möglichkeiten der Auswertung zur Verfügung, die verbale und die nonverbale Version. In der nonverbalen Auswertung ist der Fokus auf die Beobachtung des Verhaltens der Teilnehmer gerichtet. Die Auswertung der Situation und das Einholen und Verteilen von Feedback findet in der verbalen Auswertung statt.

In meiner Auswertung möchte eine Dimension hinzufügen, die ich speziell bei der Arbeit mit Graffiti Sprayern für wichtig halte. Ich sehe die Fertigstellung der Leinwände und die gemeinschaftliche Aktion der thematischen Wand als handlungs- und zielorientiertes Ergebnis, das viel über den Verlauf der Projektphase aussagen kann.

Wenn man sich die Bedeutung des Sprühens für die Jugendlichen, wie es in dieser Arbeit beschrieben wurde, in Erinnerung ruft, dann vertrauen die Jugendlichen der Wand durch ihr Aufbringen von Charakters und Messages etwas an. Dies findet in der Projektphase nun nicht mehr wie sonst im öffentlichen Raum statt, sondern in der Gruppe und in einem gemeinsamen Entwicklungsprozess. Der Jugendliche ist nicht mehr darauf angewiesen in der Nacht raus zugehen und zu malen. Eine kreative und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema, die Teilnahme an den anderen alternativen Workshops sprechen dann für eine gelungene und angenehme Atmosphäre. Den Jugendlichen sind in Beziehung zueinander getreten.

Trotzdem muss der Sozialpädagoge anhand eines vorher überlegten Fragenkatalogs das Projekt Revue passieren lassen.

Fragenkatalog

Ich wähle durch den Fragenkatalog die nonverbale Auswertung des Projektes, da ich denke, dass der eventuelle Kontakt zur Szene der illegalen Sprayer durch eine zu intensive verbale oder schriftliche Auswertung den Charakter des Ausfragens annehmen und dies kontraproduktive Wirkung für die weiterführende Arbeit haben könnte.

 

Die theoretischen Grundlagen:

Die theoretischen Grundlagen:
Werden sich die Jugendlichen in das Projekt einbringen?
Habe ich mir im Vorfeld die richtigen Gedanken über die Jugendlichen gemacht und alle Faktoren beachtet?
Werde ich ausreichend auf die Fragen und Kritiken der Jugendlichen eingehen?
Habe ich bedürfnisorientierte Angebote gefunden?
Wird mein im Vorfeld erlerntes, theoretisches Vorwissen über Graffiti für die Jugendarbeit, speziell für die Arbeit mit Sprayern ausreichen?
Werde ich die Jugendlichen nicht nur auf die Probleme, beschränken, die sie machen, sondern die Probleme behandeln, die sie haben?


Die praktischen Grundlagen:
Konnten sich die Jugendlichen genügend frei entfalten und Eigenes mit einbringen?
Waren die Jugendlichen mit dem offenen Konzept über– oder unterfordert?
War die Projektphase zu lang oder wäre ein kürzeres Angebot besser gewesen?

Das Verhältnis:
War die Beziehung zwischen den Jugendlichen und mir partnerschaftlich?
Haben wir einen von menschlichem Respekt und Achtung getragenen Umgang miteinander gefunden?
Habe ich den Kontakt zur Szene herstellen können?
Habe ich eine Beziehung aufbauen können, die als Basis für weiteres Arbeiten dienen kann?

Die Arbeit:
Haben die Jugendlichen alternative Angebote ausprobieren können?
Haben sie in Anlehnung an die gesetzten Ziele etwas für sich mitnehmen können?
Konnte ich das Konzept so umsetzen, wie ich es im Vorfeld geplant hatte?
War ich in der Lage spontan zu reagieren?

Aus den Erfahrungen dieses Projektes können eventuell weitere Schritte für die Arbeit und die Bedeutung der szenespezifischen Jugendarbeit gewonnen werden. Das Verständnis von jugendkulturellen Strömungen und die Bedeutung dessen für die Jugendlichen müssen die Basis von sozialpädagogischem Handeln sein. In solchen Projekten ist es möglich an den Stärken der Jugendlichen anzusetzen, sie zur Selbständigkeit zu motivieren und sie an der Durchführung von legalen Ausdrucksformen aktiv teilhaben zu lassen.
Sozialpädagogik kann im Bereich der Arbeit mit Graffiti Sprayern Akzente setzen. Dieses Projekt hat den Anspruch den Kontakt zur Szene zu bahnen, die Kommunikation zu gestalten, Hilfestellungen und Beratungsangebote anzubieten, alternative Angebote vorzustellen und der Öffentlichkeit ein anderes Bild von Graffiti zu vermitteln.

 

8.1 Perspektiven für die soziale Arbeit

Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Graffiti und speziell mit den Erkenntnissen der unterschiedlichen Umgangsweise im Bereich des illegalen Malens, möchte ich an dieser Stelle noch einige abschließende Überlegungen anstellen.
Die heutige Sozialpädagogik muss sich den Anforderungen der szenespezifischen Identitätsentwicklung von Jugendlichen stellen, umfassend und adäquat damit umgehen.

In niedrigschwelligen Angeboten, die sich an den szenespezifischen Bedürfnissen orientiert, alternative und nicht gefährdende Identitätsentwürfe fördert muss sich zeitgemäße Jugendarbeit darstellen.
Hauptaugenmerk muss stets die subjekt- und Individuumsbezogene Arbeit sein, parallel kann und muss die Sozialarbeit auch versuchen, die Bedingungen für die Jugendlichen zu verbessern.

Sozialpädagogisches Arbeiten und Prävention kann sich nicht nur auf den unmittelbaren Beeich des Sprayens beschränken, sondern sie muss vermittelnd zwischen allen an diesem Bereich beteiligten Personen und Institutionen agieren.

Darauf aufbauend müssen Beratungsstrukturen und wirksame Hilfeansätze für besonders gefährdete jugendliche Graffiti Sprüher entwickelt werden. Einzelfallhilfe, Vermittlung von Rechtsbeiständen, die Organisation von Täter-Opfer Ausgleichen, alternative Schadenswiedergutmachung, die Einrichtung eines Opferfonds, die weniger gefährdende Zukunftsperspektiven von Jugendlichen realistisch erscheinen lassen.
In meinen Augen gehört dazu auch die Einrichtung einer legalen Hall Of Fame. Erfahrungen aus anderen Städten widersprechen den Argumenten der K.A.S.A.
Die nachfolgenden Überlegungen bedürfen der Organisation und Kontrolle durch eine Institution die eine sozialarbeiterische Einstellung besitzt.

Legale Hall of Fame:

Auf der Homepage der Stadt Koblenz werden Überlegungen zur Einrichtung von legalen Wänden angestellt und werden teilweise hier dargestellt.

Die Stadt ist sich bewusst, dass das Freigeben von legalen Wänden nicht unumstritten ist, jedoch zeigen die Erfahrungen anderer mit illegalem Graffiti beschäftigten Städten und Kommunen, dass die Einrichtung von legalen Wänden einen positiven Einfluss auf die Situation in den Städten nehmen.
Die legale Kunst-, Ausdrucks- und Gestaltungsform von Graffiti braucht Möglichkeiten zur Darstellung. Dazu einige Vorschläge der Stadt Koblenz:

- das Bereitstellen von legalen Wänden
- das Bereitstellen der Wände erfolgt nicht inflationär, ggfs. ist durch Überstreichen nach gewissen vorab festgelegten Zeitabständen, Raum für neue legale Graffitis an bereits vorhandenen legalen Wänden zu schaffen
- die Auswahl der Wandflächen hat unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen…
- freigegebene Wände sind eindeutig zu kennzeichnen, die Eingrenzung der Fläche muss klar erkennbar sein, die Legalität der Wände ist auch zu kennzeichnen
- die Bewohner der Stadt können legalen Wände telephonisch angeben
- die Kontaktaufnahme mit den vor Ort tätigen Sprayern und deren Betreuung ist Aufgabe der Jugendhilfe( mobile Jugendarbeit) [91].

link.http://www.koblenz.de

Schadenswiedergutmachung:

Aufgrund der Erfahrungen des Berliner Aktionsplanes Graffiti, der Landeskommission „ Berlin gegen Gewalt“, der S-Bahn Berlin, der Bahnreinigungsgesellschaft, der Berliner Verkehrs Betriebe und einem Träger der freien Jugendhilfeist die Einrichtung eines Projekts zur Schadenswiedergutmachung zu empfehlen.

Entgegen den Äußerungen der K.A.S.A. erscheint es doch möglich auf Jugendliche zu reagieren, die sich freiwillig für die Schadenswiedergutmachung in Form der Ableistung von Arbeitsstunden entscheiden. Das Projekt bringt Täter und Geschädigte zusammen und reagiert schneller als der Weg über die Gerichte.
Das Projekt organisiert Einsätze der Jugendlichen, die Reinigungsarbeiten leisten, die eine ungefährlichen Charakter haben. Dies sind oftmals Einrichtungen der DB und der Verkehrsbetriebe, Reinigung von Treppen, Fahrkartenautomaten etc. Parallel werden den Jugendlichen auch alternative Freizeitmöglichkeiten sowie legale Graffitiaktionen angeboten [92].

Opferfonds Graffiti :

Durch den Opferfond Graffiti, der z.B. in Berlin initialisiert wurde, sollen Jugendliche vor Desintegrationsprozessen bewahrt werden. Gleichzeitig kümmert sich das Projekt darum, das Geschädigte einen Teil des Schadens durch Arbeitsleistungen von Jugendlichen und ein von den Jugendlichen zurückzuzahlendes zinsloses Darlehen ersetzt bekommen. Der Opferfond wird von verantwortlichen Stellen verwaltet, eine Anschubfinanzierung ist notwendig. Der Geschädigte verzichtet im Gegenzug auf den anderen Teil der Schadenssumme. Dies ist eine alternative Form der Regulierung und die Jugendlichen starten schnell schuldenfrei ins Leben [93].

Rechtsberatung:

Die Rechtsberatung kann einen weiteren Teil der Arbeit ausmachen. Konkret heißt das, als erster Ansprechpartner wirken zu können, wenn Sprayer erwischt wurden und sich über die weiteren Schritte, die folgen werden, nicht sicher sind. Darunter verstehe ich die Auswirkungen der Zivil- und Strafrechtliche Folgen.

Weiterer Schwerpunkt wird die Vermittlung von Rechtsanwälten sein, die kompetent und objektiv mit diesem Thema umgehen können.

Aufklärung auf Seiten der Eltern, Erstellen von Faltblättern sehe ich als Basis an.

Der Runde Tisch Graffiti:

Letztendlich muss Jugendarbeit versuchen, alle an dem Graffitiphänomen beteiligten Personen, Institutionen und Behörde an einen Tisch zu bringen. Nur dort können gemeinsame Ideen und Vorschläge realistisch entwickelt und die Interessen der beteiligten Gruppen berücksichtigt werden. Vorbildcharakter hat die Stadt Berlin, die schon im Jahre 1997 eine Berliner „Aktionsplan Graffiti“ ins Leben gerufen hat. Dem Aufruf sind alle gefolgt. Die Ergebnisse und Ausführungen können auf der Internetseite des Berliner Senates nachgelesen werden [94].

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