B-Teil

7. Das Graffiti Projekt -Ausgangspunkt für eine szenespezifische Jugendarbeit

Im Rahmen des bestehenden HipHop-Projektes des Bezirksjugendamtes Köln-Nippes möchte ich als Sozialpädagoge ein einmaliges, fünftägiges Projekt mit jugendlichen Graffitimalern durchführen. Als Grundlage beziehe ich mich bei der Gliederung teilweise auf eine Konzeptvorgabe nach SCHILLING [85] und den Überlegungen zur mobilen und offenen Jugendarbeit nach KRAFELD [86].Weitere methodische Ansätze für die Arbeit lassen sich in den Überlegungen zur sozialräumlichen Orientierung nach DEINET [87] finden. Die Jugendlichen, die ich mit meinem Projekt erreichen möchte, sind sehr wahrscheinlich zwischen 14 und 20 Jahre alt. Kinder die unter 14 Jahren sind, gehören nicht zur Zielgruppe, da sie meines Erachtens in der Gruppe der illegalen Maler die Nacht für Nacht raus gehen, nicht massiv vertreten sind. Sollte jemand jüngeren Alters sein, werde ich ihn auch miteinbeziehen.

Das geplante Projekt wird sich „ Respekt! Die Kunst des Sprayens“ nennen und einerseits die Ideologie der HipHop Kultur aufgreifen, und sich zusätzlich innerhalb des „Netzwerk für Toleranz und Integration- Gegen Gewalt und Rassismus“ bewegen. Dies ist ein 3-Monatiges Projekt das in mittlerweile 6 verschiedenen Jugendeinrichtungen der Stadtbezirke Köln- Nippes, Niehl und Bilderstöckchen stattfindet und sein Ergebnis in einer großen öffentlichen Abschlussveranstaltung findet, in der die Jugendlichen die Ergebnisse der Rap-, Breakdance und Tanzworkshops präsentieren.
Im Vorfeld und noch mal zusätzlich zu Beginn des Graffiti Projektes werde ich im Stile der mobilen Jugendarbeit vorher die Szenen an den für sie relevanten Stellen und Orten aufsuchen. Dies sind halblegale Wände in Köln und Graffiti Fachgeschäfte. Diese Orte fungieren oftmals als Treffpunkte und dienen dem Informationsaustausch untereinander. Dort werde ich für mein Projekt werben und zusätzlich mit Flyern in den Geschäften auf die Aktion hinweisen.
Im Projekt selber sollen die Jugendlichen Leinwände unter Anleitung bauen und diese später gestalten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit eine Wand thematisch zu gestalten, dies parallel zu dokumentieren und auf der Webseite des HipHop-Projektes zu präsentieren.Zum näheren Verständnis werde ich in diesem Kapitel mein Konzept vorstellen, das mir als Grundlage für das geplante Projekt dient.

Zu Beginn wird die Möglichkeit der Jugendarbeit in der HipHop Kultur aufgezeigt, die ihre konkrete Umsetzung im Netzwerk für Toleranz und Integration findet. Dort beschreibe ich die Vorraussetzungen des Netzwerkes die zugleich auch die Rahmenbedingungen für mein Projekt verdeutlichen, das im Anschluss erklärt wird.Im C-Teil der Diplomarbeit widme ich mich den Ausführungen des Graffiti Projektes „ Respekt! Die Kunst des Sprayens“.
Abschließend gebe ich einen Ausblick wie Sozialpädagogik szenespezifisch mit Graffiti Sprayern arbeiten kann und wie Sozialpädagogik in Köln zwischen den verschiedenen an Graffiti Beteiligten Parteien vermittelnd agieren könnte.

7.1 Jugendarbeit in der HipHop Kultur

HipHop ist eine eigenständige Jugendkultur, die seinen Anhängern einen Raum zur Entfaltung und Selbstdarstellung im tänzerischen, musikalischen und gestalterischen Bereich bietet. Es fördert den Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Abstammung und setzt präventiv an den Stärken des Jugendlichen an. Der Jugendliche kann sich dort verwirklichen und Spaß haben.

Diese Kultur bietet ihm ein Lebensgefühl, in der er seine Empfindungen im Battle zum Ausdruck bringen kann. Der im HipHop verankerte Battle Gedanken bietet die Möglichkeit, vorhandene Aggression in Kreativität umzuwandeln, da die Konflikte und Meinungsverschiedenheiten im gegenseitigen Respekt gewaltfrei ausgetragen werden.

Ausgelöst durch die vielfältigen Veränderungen in der Adoleszenzphase, steht der Jugendliche vor neuen Bewältigungsaufgaben, die sich in Abgrenzung vom Elternhaus und rebellischen Reaktionen verdeutlichen. Dies wird im Sprayen deutlich. Genauso gut lässt sich dies am Kleidungsstil der HipHoper festmachen, diese tragen teilweise sehr weite Kleidungsstücke, bevorzugt auch Armeekleidungsstücke.

Kreativität, Selbstbestimmung und Gemeinschaft stehen im Vordergrund und wirken Tendenzen von Desintegration und Ethnisierung entgegen. In Crews, die als Peergroups fungieren, kann sich der Jugendliche identifizieren und positive Bestätigung erfahren. Persönliche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden geformt, vorhandene Werte und Normen können sich entfalten. Der Jugendliche erfährt dort Bestätigung, er kann seine Kritikfähigkeit erproben und sich von der Erwachsenenwelt abgrenzen.

HipHop in Einrichtungen der offenen Tür schafft die Verbindung zwischen der gesellschaftlichen Kultur und der individuellen Lebenswelt der Jugendlichen. Darauf aufbauend ist die Jugendarbeit in der Lage zu agieren, Raum zu bieten und gegebenenfalls unterstützend Hilfe zu leisten.

 

7.2 Rahmenbedingungen

Sozialraum des HipHop-Projektes

Die teilnehmenden Einrichtungen des Netzwerkes, darunter auch die OT Werkstattstrasse, sind sozialräumlich miteinander verbunden und sprechen insbesondere benachteiligte Kinder und Jugendliche in schwierigen sozialen Lebenslagen an. Die beteiligten Stadtteile Köln-Nippes, Niehl und Bilderstöckchen liegen linksrheinisch in der Nähe des Stadtbezirks Chorweiler. Die OT-Werkstattstrasse, in der ich dieses Projekt durchführen möchte, liegt im Sechzigviertel. In diesem Viertel leben Menschen unterschiedlichster Nationalität und Schichtzugehörigkeit. Diese verschiedenen Kulturen und Nationen machen eine ausgewogene Mischung des Bezirkes Nippes aus.

Die Einrichtung

Die O.T. (Offene Tür) Werkstattstrasse ist ein Kinder- und Jugendzentrum des Trägers ev. Kirchengemeinde Köln Nippes. Die Einrichtung hat ihren Sitz in der Werkstattstrasse 7, 50733 Köln. Stephan Osinski, Dipl. Sozialarbeiter, ist der Leiter der Einrichtung und Dipl. Sozialpädagoge Johannes Rix ist der Leiter des dortigen seit mehreren Jahren existierenden HipHop Projekts Phat n Fresh.

Anfang der neunziger Jahre fand eine Umstrukturierung in der OT durch einen Mitarbeiterwechsel statt. Zentral stehen dabei die Wiedereingliederung jüngerer Besucher und eine Konzepterweiterung in Hinsicht auf Weltoffenheit, Integration und soziales Gefüge im Vordergrund. Im Jahre 1998 wird das Angebot erweitert und der HipHop Bereich etabliert.

Die OT bietet eine Vielzahl von Räumen, die sich über ca. 600 qm und vier Etagen verteilen. Dazu gehören ein Internetcafe, eine große Küche, ein Musikraum mit Equipment, drei große Gruppenräume, eine Holzwerkstatt, Kraftraum und ein großflächiger Lagerraum. Der Discoraum wird tagsüber von den Breakdancern genutzt. Im Kellerraum können sich die Rapper entfalten, vorhandenes Equipment steht ihnen frei zur Verfügung. Plattenspieler, Mikrofone, Aufnahmegeräte bieten Raum für Kreativität.

Die OT versteht sich als Jugendkulturzentrum. Sie möchte den Jugendlichen einen Bereich bieten, in dem Gewalt, Aggressionen und Suchtgefährdung keinen Platz haben. Es soll Partizipation und interkultureller Austausch ermöglich werden, jüngeren und fremden Jugendlichen soll eine Annäherung durch die Angebote erleichtert werden.

Dies findet unter anderem Ausdruck innerhalb des HipHop-Projektes des Bezirksamtes Köln-Nippes. In der Einrichtung OT Werkstattstrasse, sowie in den anderen Netzwerkeinrichtungen, werden die Elemente der Subkultur HipHop angeboten. Dies sind Breakdance, Rappen und das kunstvolle Auflegen von Schallplatten. Graffiti Workshops werden vereinzelt angeboten, sprechen aber bis jetzt nur Kinder an, die dies als alternative Kreativgestaltung ansehen. Ich möchte das Projekt um die Gruppe der Writer erweitern ,die illegal malen müssen, die von Ausgrenzung bedroht sind und von den herkömmlichen Angeboten der Jugendarbeit nicht erreicht werden können.

Für das Projektangebot gelten gesonderte Regeln bezüglich des Alters und der Öffnungszeiten. So dürfen zum Beispiel Jugendliche auch dann an den Angeboten teilnehmen, wenn die Altersgrenze von 19 Jahren überschritten ist. Durch Einhaltung auferlegter Regeln kann die Selbstbestimmung der Jugendlichen gefördert werden.

7.3 Sozialpädagogische Vorüberlegungen

Die Vorüberlegungen zu meinem Graffiti Projekt orientieren sich an den Aussagen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Dort geht es darum junge Menschen bei der Herausbildung ihrer Identität zu unterstützen, gestalterischen und kreativen Interessen Raum zu geben, soziale Prozesse zu fördern und gefährdende Elemente zu reduzieren. In der Praxis heißt dies konkret, nicht gefährdende Aktivitäten zufördern, die Erlebnis- und Handlungsmöglichkeiten zu verbessern und alternative kreative, künstlerische, aber subjektbezogene Partizipationsmöglichkeiten zu entwickeln. Auf diesem Weg soll den jugendlichen Sprayern ermöglicht werden, ihren Fame auch auf andere Weise zu erreichen. Den fame hängt nicht nur von unmöglichen und riskanten Aktionen ab, sondern auch von Individualität der Pieces und dem handwerklichen Können des Sprayers.

Die Orientierung an dem Titel des Netzwerkes soll als Leitfaden für die gestalterische Umsetzung dienen, die weitere Gestaltung und Planung liegt in einem offenen Konzept, das den Jugendlichen ausreichend Möglichkeiten der Partizipation und Umsetzung bei der Herstellung der Leinwände, der Wand und der Webseite lassen. Die abschließende Präsentation hat pro soziale Funktionen, die Öffentlichkeit erfährt über die bewiesenen Fähigkeiten, das persönliche Selbst erfährt eine Aufwertung, weg von der Stigmatisierung als Kriminellen. Die affektive Komponente des Selbstwertgefühls, sowie die kognitive Komponente der Selbstwahrnehmung erfahren einen öffentlichen Applaus.

Des Weiteren kann dadurch ein anderes Bewusstsein in der Bevölkerung für das Thema Graffiti erzielt werden. Sozialpädagogik agiert damit nicht im Sinne der Fortführung der präventiven Arbeit der Polizei und der K.A.S.A, sondern als Revitalisierung sozialer Räume von Kindern und Jugendlichen um in einem sozialräumlichen Mandat für deren Wiedergewinnung zu sorgen [88].

Lernen und Gefälle
Lernen ist das Aufnehmen, Verarbeiten und Umsetzen von Informationen [89].
Laut SCHILLING gibt es zwei Arten des Lernens, zum einen das funktionale Lernen, das unbewusst geschieht, und zum anderen das intentionale Lernen, welches ein Ziel gerichtetes, beabsichtigtes Lernen darstellt. Während der Projektphase werden die Jugendlichen beide Arten des Lernens erfahren. Einmal die praktische Erfahrung bei der Gestaltung der Leinwände und der Präsentation der Photos auf der Webseite. Die Malaktion auf der legalen Wand gibt den Sprayern eine Lern Erfahrung in Richtung positiven Flow und künstlerischer Kompetenzerweiterung.

Während der Erstellung der Leinwände wird ein Graffitimaler den Workshop anleiten, der seinen Fame in Köln und sogar international für seine legalen Auftragsarbeiten bekommen hat. Ich spreche z.B. von SEAK, der auch die Mensa in der FH - Südstadt gestaltet hat. Das funktionale Lernen liegt dabei im Einlassen auf eine thematische Gruppenarbeit und der Erfahrung, dass auch mit legalem Graffiti Fame und sogar Berufs- und Zukunftsperspektiven verbunden sind. SEAK wirkt sozusagen als Vorbild und Aushängeschild, Lernen am Modell. Graffiti Maler wählen oftmals den Weg des Graphikers, Webdesigners, Schildermachers und gehen sogar auf die Kunsthochschule.Während der Erstellung der Webseite werde ich am Anfang anleitend und dann beratend eingreifen.

Während der Projektphase werde ich versuchen, eine tiefere Beziehungsebene mit den Jugendlichen zu erreichen. Dies wird ganz klar über das Medium Graffiti passieren in der ich, außer der praktischen und technischen Umsetzung, durch meine intensive Recherche teilweise sogar einen Informationsvorteil besitze. Ich möchte den Jugendlichen bei Interesse in dieser Arbeitsatmosphäre die Risiken und Straf- sowie Zivilrechtlichen Folgen des illegalen Malens aufzeigen, das aber jedoch nicht in einer Belehrung ausarten soll. Primär möchte ich jedoch die Writer dahingehend motivieren sich doch auch einmal mit den anderen Elementen der HipHop-Kultur auseinanderzusetzen und diese eventuell auszuprobieren, diese werden in der OT parallel angeboten. Genauso gut können sie ihr handwerkliches und künstlerisches Geschick aber auch in anderen Workshops ausprobieren die in der OT angebotenen werden.

Mein Ziel muss darin bestehen, vorhandene Gefälle zwischen ihnen und mir abzubauen und ein partnerschaftliches Miteinander zu erreichen, denn dies ist die Vorraussetzung für Emanzipation, Mündigkeit und Selbstständigkeit der Teilnehmer. Dies sind langfristige Ziele, die erreicht werden sollen. Ideen und Vorschläge von Einzelnen und der Gruppe werde ich fördern und unterstützen. Eine steigende Selbstinitiative der Teilnehmer werde ich beobachten und ihnen Entfaltungsmöglichkeiten einräumen.

Zeitprozess
Der Lehr und Lernprozess ist immer unter dem Zeitfaktor zu betrachten. Das Graffitiprojekt stellt ein einmaliges Angebot dar, das an fünf hintereinander folgenden Tagen stattfinden soll. Ich darf daher in der Zeit die mir zur Verfügung steht, nicht zuviel von den Jugendlichen erwarten, gleichzeitig darf ich sie aber nicht in ihrer Kreativität beschneiden und sie dadurch unterfordern. Dies könnte zu einem Motivationsverlust führen.

Die Jugendlichen, die sich größtenteils in der Adoleszenzphase befinden werden sollen die Möglichkeit einer neuen Meinungsäußerung erfahren mittels Produkten, die erst einmal öffentlich präsentiert werden. Die Leinwände stehen den Jugendlichen danach zur eigenen Verfügung.

Ein Problem wird darin bestehen, die Jugendlichen dementsprechend zu motivieren. Die Szene der Graffitiaktivisten wird sehr wahrscheinlich Probleme mit der Verlässlichkeit und der konstanten Teilnahme haben, da das Projekt nun zusätzlich in ihren von Graffiti bestimmten Lebensrhythmus und Lebensinhalt fällt, der sonst ihren Tagesablauf bestimmt. Graffiti ist der Lebensmittelpunkt. Die Peergroup kennt sich mit Graffiti aus, man redet über Graffiti und liest Magazine über Graffiti.


Verhältnis und Beziehung
Im Interesse einer sinnvollen, pädagogischen Arbeit sollte ich darauf achten, den richtigen Umgang mit den Sprayern zu finden. Dies wird der partnerschaftlich-demokratische Leitungsstil sein, der auch in der OT zu finden ist.
Dies ist der Weg die Jugendlichen direkt anzusprechen und sie auf das Projekt hin motivierend zu erreichen. Eine mögliche Abwehrreaktion der Sprayer bzw. Jugendlichen soll dadurch reduziert werden.

Die Beziehung, die ich aufbauen möchte orientiert sich an zwei Aspekten der Kommunikation. Einmal muß die inhaltliche Ebene berücksichtigt werden, die auf einer Vermittlung von Informationen basiert, die aber einseitig abläuft. Der andere Weg ist die Beziehungsebene, welche den Austausch von Informationen zwischen allen Beteiligten meint.
Nur so kann die Bereitschaft der Gruppe angesprochen werden, Informationen mit verschiedenem Inhalt und Schwerpunkten aufzunehmen. Auf diese Weise kann eine angenehmere Atmosphäre geschaffen werden, in der Lernen leichter fallen kann.

Trotz allem muss ich eine gewisse Distanz halten, und mich nicht als Sozialpädagoge anbiedern, der kein Sprayer ist und deshalb auch nicht alles gut finden kann, sondern sich nur damit auskennt. Das Prinzip der Parteilichkeit greift hier. Ich muss die Beziehung zu allen anderen Teilnehmern gleichhalten.
Ich hoffe zusätzlich, dass die Sprayer eine integrierende Form des Miteinanders finden und ein freundschaftliches Miteinander praktizieren, auch wenn sie aus verschiedenen, teilweise verfeindeten Crews kommen sollten.

7.4 Durchführung

Auf Grund der Vorüberlegungen habe ich Ziele entwickelt, die durch das Projektangebot von den Sprayern erreicht werden sollen.

Zielgruppe
Individuelle/anthropogene Voraussetzungen:

Graffitimaler zwischen 14 und 20 Jahren. Die Gruppengröße kann zwischen 15 und 20 Teilnehmern liegen, da durch die Honorarkraft nun 2 Betreuer, zusätzlich zu den schon Vorhandenen Betreuern aus der OT Werkstattstrasse vorhanden sind.

Es werden sehr wahrscheinlich nur männliche Sprayer im Projekt zu finden sein, denn es gibt erfahrungsgemäß wenige Mädchen und Frauen, die in der Graffiti Szene aktiv teilnehmen.

Eine Gruppe von Jugendlichen die durch das Sprühen aus den Zwängen des Alltags herausfallen und individuelle Freiheitsmomente erleben wollen, dabei übernimmt das Sprühen die psychische Verarbeitung der veränderten personalen wie sozialen Situation und stellt für die Jugendlichen eine Form der Entwicklung dar. Eine alternative Ausdrucks- und Darstellungsform, die einen offenkundigen Protest gegenüber den Bezugspersonen von Eltern und Gesellschaft ausdrückt und sich in größtenteils illegalen Sprühaktionen äußert.

Entwicklungspsychologisch ist Graffiti ein Rückzug nach innen mit einer Selbstpräsentation nach außen und in der Öffentlichkeit, das Entwickeln einer Sprüheridentität die in eine andere Richtung lebt und Grenzüberschreitungen an der Tagesordnung liegen, anders als die im normalen Leben gelebte Persönlichkeit die sich in vorgegebene Regeln und Gesetze einleben muss. Die Sprüheridentität darf im normalen Leben nicht Preis gegeben werden.

Biologisch-vitale Dimension:

Während der Teilnahme am Projekt werden die Jugendlichen einen anderen Rhythmus kennen lernen. Die kreative und produktive Phase und die Auseinandersetzung mit dem Thema finden tagsüber statt. Dies kann einen positiven Effekt auf Gesundheit, Schlaf und Bewegung haben. Die Aktionszeit von Sprayern ist normalerweise nachts, weil sie dann ihre Bilder relativ ungestört malen können.

Emotional-affektiveDimension:

Aufgrund einer positiven Gruppendynamik und einem partnerschaftlich-demokratischen Umgangsstil, die gemeinschaftliche Reflexion bei den kreativen Entstehungsprozessen kann bei den Jugendlichen ein Gefühl des Angenommenseins und der Anerkennung entstehen. Sie erleben neue Dinge, sind motiviert und aufgeschlossen für Neues.

Kognitiv-rationale Dimension:

Die Jugendlichen werden sich eventuell die Ausführungen zu den straf- und zivilrechtlichen Aspekten ihres Tuns anhören und darüber kommunizieren und diskutieren. So erkennen sie neue Zusammenhänge.

Ethisch-Wertende Dimension:

Die Orientierung innerhalb des Projektes an den Säulen der HipHop-Kultur, die Orientierung an dem Thema des HipHop-Projektes kann einen Transfer zu den Werten dieser Kultur bedingen.
Der Aufenthalt in einer Einrichtung der Offenen Tür kann Toleranz, Werte und Normen, sowie den Abbau von Vorurteilen erreichen bzw. initiieren.
Durch die Diskussion über die Straf- und zivilrechtliche Aspekte des Sprühens, kann die Beziehung zum Eigentum anderer kann neu überdacht werden.

Sozial-kommunikative Dimension:

Die Teilnahme am Projekt und die abschließende Präsentation der Bilder können ein Gefühl der Verantwortung und der Anerkennung bewirken. Die Jugendlichen haben gemeinsam mitgeholfen, diskutiert und mitbestimmt. Das Reden in einer Gruppe kann bei forscheren Jugendlichen Rücksichtnahme bewirken, gleichzeitig aber auch Durchsetzungsvermögen bei z.B. stilleren Jugendlichen.

Psycho-motorische Dimension:

Das ganze Projekt kann die Jugendlichen befähigt haben, ihre entwicklungspsychologische Ambivalenz demnächst vermehrt in legalen Graffiti Aktionen ausdrücken zu wollen. Dies ist ein Prozess der weiterhin der Begleitung und Anleitung durch Pädagogen benötigt. Ziel ist eine eigenständige Planung und Umsetzung von legalen Sprühaktionen, mit dem Gedanken die Stadt mit legalen Aktionen zu verschönern. Auf diese Art und Weise kann sich der Jugendliche auch einen Namen schaffen.

Soziokulturelle Voraussetzungen:

Die Jugendlichen die ich mit dem Projekt erreichen will, werden aus allen Teilen der Bevölkerung, mit verschiedenartigsten Nationalitäten und kulturellen Hintergründen sein. Graffiti ist ein Anlaufpunkt unterschiedlichster Charaktere und Persönlichkeiten.
Graffitimaler sind in der Regel mobil. Dies liegt einfach schon in der Auseinandersetzung mit anderen Bildern und dem Auskundschaften von neuen Stellen und Orten. Genauso können durch gemeinsame Malaktionen lokale und internationale Freundschaften geschlossen werden.
Grundsätzlich denke ich aber, dass es aber eher Jugendliche aus Köln sein werden, die ihren Weg in die OT finden.

Zeitrahmen und Veranstaltungsort:

Die Projektphase liegt bei fünf Tagen. Im Vorfeld habe ich mittels der mobilen Jugendarbeit die Sprayer an den für sie relevanten Orten aufgesucht, ihnen von dem Projekt erzählt und Flyer verteilt.

In der OT gliedern sich die fünf Tage wie folgt auf: Der erste Tag dient der Information und der Aufteilung in die Workshops. Die Gruppe die sich um die Gestaltung der Webseite kümmert startet mit einer Anfangsgruppe, kann aber im Laufe der fünf Tage zusätzlich von anderen Jugendlichen besucht und ausprobiert werden, wenn andere Tätigkeiten zur Seite gelegt werden oder Projekte bereits abgeschlossen sind. Medienpädagogische Projekte die über einen längeren Zeitraum gehen, verlieren schnell an Reiz. Das Ende ist manchmal nicht ersichtlich. Das Erstellen von Photos, das einarbeiten in die Webseite kann nach relativ schneller Zeit erfolgen, da die benötigten Kenntnisse sehr schnell erlernt werden können. Ich arbeite mit einer sehr gut verständlichen Software. Die definitive Fertigstellung findet am letzten Tag statt, wenn die Wand fertig gestellt und photographiert wurde.

Die Gestaltung und Fertigstellung der Leinwände findet an zwei aneinanderfolgenden Tagen statt. Die Gestaltung der Wand findet an den restlichen zwei Tagen statt, der Ort könnte eine halblegale Wand in der Nähe der OT auf dem ehemaligen Kantinengelände der DB in Nippes sein. Die Erlaubnis müsste vorher eingeholt werden. Erfahrungsgemäß reichen zwei Tage mit erfahrenen Sprayern aus, um ein großes thematisches Piece zu gestalten.

Ziel:

Das Ziel des Projektes besteht darin, den Sprayern alternative künstlerische und kreative Wege aufzuzeigen, so die Erlebnis – und Handlungsmöglichkeit zu verbessern und als Sozialpädagoge den Kontaktaufbau zu einer Szene herzustellen, die sonst nicht auf die Angebote der offenen Jugendarbeit reagiert.

Kurzziele:

Aus den Vorüberlegungen und den gesetzten Zielen erfolgen Kurzziele, die anhand des Graffiti Projektes erreicht werden sollen. Mein partnerschaftlich-demokratischer Leitungsstil soll anleitende und unterstützende Funktion bei der Erreichung der Ziele haben. Während des ganzen Projektes muss ich mein eigenes und das Verhalten der Gruppe ständig reflektieren. Die Jugendlichen sollen in erster Linie durch die alternative und entspannte Malstimmung, Spaß an dem Projekt haben, und von Anfang an durchgehend die Möglichkeit bekommen, sich kritisch und lobend zu äußern und mit mir zu kommunizieren.

Vordergründig möchte ich eine Beziehung zu den Teilnehmern herstellen, die eine inhaltliche Interaktion zulässt und eine eventuelle weiterführende sozialpädagogische Arbeit vorbereitet. Im Sinne einer sozialräumlichen Jugendarbeit bin ich dann in der Lage die Lebenswelt der Sprayer in Ansätzen zu verstehen und daraus einen jugendpolitischen Anspruch zur Rückgewinnung öffentlicher Räume für Kinder und Jugendliche zu formulieren [90]. Darunter verstehe ich die Einrichtung von legalen Hall of Fames, in denen die Sprüher sich ungestört entfalten können. Dort kann es möglich sein, Fame für legale Bilder zu sammeln. Style und Technik können zusätzlich verbessert werden, anders als in illegalen Aktionen.
Das Bild von Graffiti in der Öffentlichkeit kann durch solche Aktionen aus einer anderen Perspektive gesehen werden.

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