5. Die soziale Kontrolle des öffentlichen
Raumes
Im folgenden Kapitel soll die veränderte
Bedeutung und Betrachtung des Phänomens Graffiti für die
Öffentlichkeit dargestellt werden, im Hinblick auf die Umgehens-
und Sichtweise durch die Kommunalpolitik. In den letzten Jahren
wird Graffiti im Diskurs der Beeinträchtigung des subjektiven
Lebens- und Sicherheitsgefühl der Bürger gesehen. Sprayer
sind eines der Kriminalisierungsopfer der deutschen Großstädte
geworden, neben der Hatz auf Junkies, Drogendealer, Obdachlose und
ausländisch aussehende Menschen.
Die Graffitis schaden laut Aussagen der Stadtoberen dem Standortansehen,
denn da wo Graffiti ist, ist Armut, Schmutz und Gefahr auch nicht
weit entfernt.
5.1 Imagenieren des subjektiven Sicherheitsgefühls
Betrachtet man die aktuelle Situation in
verschiedenen deutschen Großstädten, wie z.B. Köln,
Berlin, Kiel, Hamburg
und Bielefeld, und deren Anti-Graffiti Politik bemerkt man einen
Wandel der Perspektiven. Wurde Graffiti früher als Ausdruck
eines urbanen Niedergangs und der Auflösung von familiärer
sowie öffentlicher Ordnung gesehen, wird Graffiti mittlerweile
als Ursache und Symbol des urbanen und öffentlichen Unterganges
gesehen.
Ordnungspartnerschaften wie die Kölner-Anti-Spray-Aktion,
die Berliner [Nofitti] und die Kieler Aktion [Klar Schiff] versuchen
den Kampf gegen Farbschmierereien und Farbsprühterroristen
bürgernah aufzunehmen, und so einen als sauber und sicher erlebbaren
Raum zu erzeugen und zu legitimieren [72]. Die Antigraffiti Aktionen
stehen inzwischen für den Kampf um städtisches Territorium
und dessen Nutzung. In Köln, wie auch in anderen Städten,
gibt es Ideen und Strategien die Innenstädte zu einem sauberen
und sicheren Verkaufserlebnis werden zu lassen. In den letzten Jahren
entstanden vermehrt Einkauf- und Entertainment Gebäude, große
Kinoanlagen und überdachte und bewachte Einkaufszentren. Diese
haben die Funktion die Städte belebter und erlebbarer für
die Menschen zu machen, parallel schaffen sie wichtige Arbeitsplätze
in Zeiten, in denen sich Erwerbsarbeit vom Fabrikarbeiter hin zur
Dienstleistung und dergleichen verändert. Investoren sollen
in die Städte geholt werden.
Soziale Randgruppen, wie z.B. Bettler, Obdachlose und nun auch
Sprayer passen nicht in dieses Bild und vermindern mit ihrer bloßen
Anwesenheit und ihren Aktionen das „ ungetrübte Einkaufsvergnügen“
der Menschen. Graffitis schaffen anscheinend parallel dazu noch
ein Unsicherheitsgefühl das die Menschen daran hindert sich
in den Zentren wohl zu fühlen. Graffitis werden unter anderem
deswegen so schnell entfernt. In den Randbezirken sieht das ein
wenig anders aus. Dort wird bei weitem nicht so schnell gereinigt,
Stadtteile wie Köln-Mülheim; Kalk, Ehrenfeld behalten
ihr Aussehen. Die Gruppe der Obdachlosen, Punks etc. zieht es auch
in diese Stadtteile, da die repressiven Maßnahmen von Seiten
der Polizei oder den verschiedensten Sicherheitskräften dort
nicht so massiv sind.
Graffitis erzeugen mit ihrer reinen Präsenz keine Angst bei
dem Grossteil der Bevölkerung, sie vermitteln eher das Gefühl
der Ohnmacht der Stadt mit diesem Problem fertig zu werden. Die
Frage der Kompetenz einer Stadt stellt sich, und die Vermutung einer
weiteren Unfähigkeit auch in anderen Bereichen mit Problemen
umzugehen. Wenn eine Stadt nicht in der Lage ist das Graffiti Problem
zu lösen, wie will sie dann in der Lage sein mit Gewalt, Drogen
und Kriminalität umzugehen.
Dies sind Erfahrungen und Ausführungen die in New York Ende
der 70er Jahre diskutiert wurden. Der Soziologe Nathan GLAZER bringt
mit einem Artikel den er im Jahre 1979 verfasst einen Wendepunkt
im Graffitidiskurs. Graffitimaler erscheinen nun als Terroristen,
die faktisch mit ihren Bildern den Unsicherheitsfaktor der gesamten
Stadt New York erhöhen.
Die Machtstrukturen der Stadt und ihre Regierbarkeit im herkömmlichen
Sinne, wie des Mythos des schützenden und strafenden souveränen
Staates im speziellen, schienen erreicht. Die Stadt New York konnte
sich diese Art des jugendlichen Abweichens nicht länger gefallen
lassen, da dadurch das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit
der Staatlichen Akteure untergraben wurde [73].
Es entstanden neue Antigraffitibündnisse. Es beteiligte sich
die Stadt New York, die MTA und die New York Times daran. Auf der
einen Seite wurde nun von den Medien eine andere Meinung publiziert,
nämlich ein klares Nein zu Graffiti. Es gab eine Vielzahl von
Berichten, Plakatkampagnen und Radiospots die die New Yorker Bevölkerung
für dieses Thema sensibilisierten und sie zur Kontrolle aufriefen.
Parallel zu diesen medialen Maßnahmen wurden die bemalten
Züge der MTA sofort aus dem Verkehr gezogen und gereinigt.
Für die Bevölkerung entsteht so das Bild einer sauberen
U-Bahn und damit assoziiert ein Bild der Sicherheit und Kontrolle.
Die Wirklichkeit sah in New York jedoch so aus, dass in den 90er
Jahren ca. 4000 kleinere und größere Schriftzeichen wöchentlich
auf den U-Bahnen entfernt wurden [74].
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