Zurück zum Thema…
SOZIALES: Keine Nacht- und Nebelaktion
An verschiedenen Stellen im Stadtgebiet dürfen Jugendlichen ganz legal Graffiti sprühen
RATHENOW – Am Anfang greifen noch die üblichen Reflexe: Als ein Jugendlicher am helllichten Tag eine Hauswand in der Fehrbelliner Straße besprüht, kommt gleich die Polizei, um die Personalien aufzunehmen. Bei den Beamten hat es sich noch nicht rumgesprochen, dass das Graffiti-Sprühen an dieser Wand legal ist. Auch die Jugendlichen spielen das Räuber-und-Gendarm-Spiel (zum Teil) gerne mit: Im Schutze der Nacht und im Lichte einer kleinen Taschenlampe sprühen sie ihre Schriftzeichen und Bilder an eine andere freigegebene Hauswand. Wenn sich ihnen jemand nähert, suchen sie schnell das Weite. Und können so ganz ungefährdet den Kick genießen, etwas Verbotenes zu tun.
Seit Anfang Juli gibt es verschiedene Flächen im Stadtgebiet, auf denen sich Jugendliche mit der Farbdose nach Lust und Laune austoben können. Die Wände sind mit einer großen gelben Sonne samt Farbdose gekennzeichnet – aufgesprüht natürlich.
Das Projekt der legalen Sprayerwände ist Bestandteil der sogenannten Ordnungspartnerschaft Graffiti und geht auf die Initiative der beiden Streetworker der Diakonie, Tilo Windt und Martin Skowronek zurück. „Unser Ziel ist es, mit den legalen Angeboten das illegale Sprühen langfristig einzudämmen“, beschreibt Skowronek den Ansatz.
Überhaupt erreichen die Sozialarbeiter so Jugendliche, an die sie sonst wahrscheinlich gar nicht herankommen würden. Die Schutzbehauptung vieler illegaler Sprayer: – „Ich würd ja gerne legal sprühen, aber es gibt ja keine Flächen dafür“ – fällt durch die neuen Angebote auch weg.
Derzeit können die Jugendlichen unter anderem noch am Blechzaun am Körgraben und an einem zum Abriss bestimmten Wohnblock in Rathenow-Ost die Farbdosen schwingen. Nach den Eindrücken der Sozialarbeiter werden die Freiflächen von den Jugendlichen sehr gut angenommen. Denn ohne die Angst, entdeckt zu werden, bleiben wesentlich mehr Zeit und Ruhe für größere und komplizierte Darstellungen.
Die Sozialarbeiter unterstützen diesen künstlerischen Ansatz: So wurden das WC-Häuschen des Flugsportvereins Stölln und eine Garagenwand am Weinberg – unter Anleitung – von Rathenower Jugendlichen gestaltet (MAZ berichtete). Wer für seine künstlerische Arbeit die Anerkennung von Vereinen und Privatpersonen erfährt, so das Kalkül, zieht nachts nicht mehr los, um die Stadt mit eilig hingekritzelten Schriftzeichen zu verschandeln.
Ob es wegen der legalen Angebote bald überhaupt keine illegalen Schmierereien mehr geben wird? Das ist vielleicht etwas hochgegriffen, findet Martin Skowronek. Aber er kann auf das Beispiel der Stadt Münster verweisen, von der das Konzept übernommen wurde: Dank der legalen Flächen (und der schnellen Beseitigung illegaler Schmierereien) halbierte sich die Zahl der illegalen Graffiti innerhalb von sieben Jahren. (Von Ralf Stork)
Quelle:
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11571525/61759/An-verschiedenen-Stellen-im-Stadtgebiet-duerfen-Jugendlichen-ganz.html
Sag was dazu!